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UKW115 Angriff auf Israel

Der Terrorangriff der Hamas auf Israel

Am 7. Oktober 2023 durchbricht die islamistische Terrororganisation Hamas die Grenzzäune zu Israel und führt auf breiter Front Angriffe auf die israelische Bevölkerung durch, bei der über 1000 Zivilisten ums Leben kommen. Die Israelische Armee war von dem Angriff so überrascht, dass es den Angreifern gelang militärische Posten zu überlaufen und die Angriffe teilweise noch über Tage fortzuführen. Israel hat den Kriegszustand ausgerufen und bereitet eine Bodenoffensive vor.

Dieses Ereignis leitet einen neuen traurigen Höhepunkt im seit vielen Jahrzehnten von Kriegen und Auseinandersetzungen geprägten Nahostkonflikt ein mit noch unklaren Auswirkungen auf die weltpolitische Lage. Da der Konflikt so schwierig zu überschauen ist, setzen sich Tim und Pavel zusammen und versuchen, einen Blick in die Geschichte und auf den neuen Vorfall zu werfen.

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Veröffentlicht am: 15. Oktober 2023
Dauer: 2:38:03


Kapitel

  1. Intro 00:00:00.000
  2. Einführung 00:00:33.472
  3. Die Vorgeschichte des Konflikts 00:10:24.350
  4. Die Gründung Israels 00:35:33.693
  5. Der 6-Tage-Krieg 00:40:04.714
  6. Jom-Kippur-Krieg 00:44:25.244
  7. Camp-David-Abkommen 00:49:03.006
  8. Autonomie für Palästina 00:51:44.233
  9. Die Intifada 00:57:16.100
  10. Abzug aus Gaza und Aufstieg von Hamas 00:58:58.579
  11. Instrumentalisierung des Konflikts 01:03:05.890
  12. Der Terrorangriff der Hamas 01:13:16.340
  13. Die Reaktion Israels 01:36:13.122
  14. Strategie von Hamas und Situation in Gaza 01:50:57.386
  15. Israels Endgame 02:04:37.362
  16. Das Leiden der Bevölkerungen 02:31:26.599
  17. Ausklang 02:35:51.719

Transkript

Tim Pritlove
0:00:33
Pavel Mayer
0:01:09
Tim Pritlove
0:01:10

Und anders als wir jetzt die, ja fast schon zwei Jahre wieder, ne? Irgendwie Ukraine begleitet haben, machen wir heute mal ein neues Themenfeld auf. Ein Thema, über das ich schon länger nachgedacht habe, ob man das nicht mal in irgendeiner Form behandeln sollte, aber ehrlich gesagt immer so ein bisschen vor mir hergeschoben habe, weil es wahrscheinlich das denkbar schwierigste und komplexeste politische Krisenthema der Welt überhaupt ist, der Nahostkonflikt. Aber nun, nach den Terrorangriffen der Hamas in der letzten Woche, genau vor einer Woche, wir haben heute den 14. Oktober 2023 und vor einer Woche am Samstag, am Schabbat, gab es diese Angriffe, die jetzt natürlich die Welt beschäftigen und die ein ohnehin schon immer loderndes Feuer im Nahen Osten wieder komplett auflammen lassen. Ja und dann haben wir uns irgendwie so unterhalten und haben überlegt können wir diesen Kerlchen uns vorbeigehen lassen oder nicht. Und ich würde meinen es gab verschiedene Faktoren die glaube ich jetzt hier eine Rolle gespielt haben bei der Entscheidung uns dieses Thema dann doch nochmal aufzunehmen. Erstens, wir verfolgen ja nun das Ukraine-Thema schon lange und der Konflikt mit den Russen ist ja nicht nur ein lokales Problem und auch hier spielt die Weltpolitik eine große Rolle, nicht nur weil Russland involviert ist, sondern eben auch andere Kräfte wie der Iran. Und ja, das ist natürlich auch eine Konstellation, die in diesem Nahost-Konflikt schon immer eine Rolle gespielt hat. Und natürlich wird auch dieser neu aufgeflammte Konflikt Israel in den nächsten Wochen und Monaten Auswirkungen haben, auch auf die Art und Weise, wie die Ukraine voranschreiten kann. Also mit anderen Worten, alles hängt zusammen. Dann ist es natürlich auch so, dass dieser Konflikt, dieser Nahostkonflikt, ich habe es ja auch schon gesagt, mit zu diesen kompliziertesten ältesten Konflikten der Welt gehört. Man könnte fast sagen, es ist vielleicht sogar der älteste Weltkonflikt, den es überhaupt gibt. Mir würde jetzt zumindest nichts einfallen dazu. Und ich stelle halt auch immer wieder fest, und das stelle ich auch an mir selber natürlich fest, irgendwie erscheint einem das dann alles als viel zu komplex, viel zu schwierig, viel zu viele Sichtweisen, dazu noch ein mega aufgeheiztes politisches Gesamtfeld. Alle haben da irgendwie Meinungen und keine Meinungen könnten hier irgendwie extremer auseinander liegen als in diesem Bereich. Ja, und dazu kommt natürlich noch, dass der Konflikt mit Israel natürlich auch die deutsche Geschichte nochmal ganz speziell tangiert. Und die besondere Rolle, die Deutschland dort eingenommen hat durch den Zweiten Weltkrieg natürlich dann auch nochmal hier im Hintergrund lodert. Und das alles nicht einfacher macht, das für sich selber aufzudröseln.

Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Genau, wir haben uns dann überlegt womit fangen wir denn an und ich denke was in der ganzen Debatte um Israel, Palästina, den palästinensischen Staat und die ganzen Kriege der letzten Jahre, Wenn man das alles betrachtet, dann gibt es vor allem erstmal viel Missverständnisse und sehr viel Unkenntnis. Und da nehme ich mich auch selbst überhaupt nicht aus. Vielleicht sollten wir auch generell nochmal diesen Disclaimer hier absetzen, den wir bisher eigentlich immer gebracht haben. Wir sind keine Experten, sondern wir sind einfach nur Beobachter der Situation. Wir haben das Gefühl, das betrifft uns, zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar. Es ist sozusagen Teil des gesamten Konfliktraums und wir haben auch schon angedeutet, dass er sich auch teilweise hier in unsere Gesellschaft überträgt oder wird er zumindest eine Rolle spielen. Und wir wissen auch nicht alles, sondern auch wir beschäftigen uns einfach damit, wir schauen uns das Geschehen an, wir versuchen unsere Wissenslücken zu füllen und versuchen dabei eine Position einzunehmen, die das Ganze einfach mit Interesse beobachtet, aber eben vielleicht auch mal wertet oder auch mal versucht irgendwie zu erklären. Das ist so ein bisschen unser Ansatz. Ja und um das jetzt zu erreichen, denke ich, ist es halt wichtig, dass man erstmal die Grundlagen schafft und deswegen wollen wir euch mal mit in die Geschichte zurücknehmen, was glaube ich auch sehr wichtig ist, um einfach auch ein paar Begrifflichkeiten richtig hinzubekommen, weil einfach vieles da vermischt wird, auch in der Diskussion oder nicht so genau genommen wird oder mal so oder so interpretiert wird. Viele Begriffe sind natürlich durch die aktuelle politische Diskussion auch überladen worden mit der Zeit, bedeuten heute vielleicht etwas anderes, als sie eigentlich mal bedeutet haben. All diese Dinge sollten wir uns erstmal zurechtlegen und tja ja, ich weiß noch, als wir über die Ukraine angefangen haben zu reden, da sind wir glaube ich so hundert, fünfhundert Jahre zurückgegangen bis zu den Mongolenkriegen. Okay gut, um einfach erstmal so einen Einstieg zu haben, wo kommt denn das alles so her. Aber hier, meine Herren, wir rollen jetzt im Prinzip 3000, 4000 Jahre zurück so ungefähr. Die Besiedlung dieses Gebietes war ja eine sehr frühe, also das war ja nicht zusammen da mit Syrien auch eine sehr fruchtbare Gegend und letzten Endes auch die Evolution aus Afrika heraus, der moderne Mensch, das hat sich ja alles durch diese Gegend herausentwickelt und von daher war dort schon immer zivilisatorische Entwicklung, dort hat sich einfach viel getan und dementsprechend ist es auch ein sehr vielfältiger Ort gewesen, schon immer. Früh besiedelt und alle Völker, alle Stämme, alle Religionen, die sich über Jahrhunderte und über Jahrtausende entwickelt haben, haben in irgendeiner Form dort ein Business gehabt. Älteste Städte, Jerusalem und andere, das war sozusagen für viele Kulturen, für viele Religionen, für viele Machthaber, Invasoren immer irgendwie ein wichtiger Ort.

Pavel Mayer
0:12:30

Und aber ich denke, wo wir einsteigen können, vielleicht ist so 576 vor Christi, weil ich habe mich gefragt, natürlich bei dem Konflikt, so, okay, wieso sind die Juden denn in alle Welt verstreut worden und wodurch eigentlich und wann begann das? und los ging das. So 576 vor Christi, da fanden die ersten Vertreibungen statt und so ein Höhepunkt, sagen 63 so vor Christi gab's. Dann wurde das eigentlich besetzt von den Römern, Die kommen da ins Spiel und haben dann von 132 bis 136 nach Christi Geburt so im Rahmen der Niederschlagung des sogenannten Bar-Koch-Bar-Aufstands so richtig brutal zugeschlagen dort und die Römer waren ohnehin eine sehr brutale Gesellschaft, auch im Inneren. Wenn sie Krieg geführt haben, ja, haben sie im wahrsten Sinne des Wortes oft keine Gefangenen genommen. Also es ist sehr bekannt, dass, ja... Wenn die Römer erst mal so richtig entschlossen waren, dann ein Problem mit Aufständischen zu lösen, dass die dann im Prinzip zum Genozid gegriffen haben. Und nicht nur das, in dem Fall war es so, also es gab eben vorher mehrere Aufstände schon und so im Vorfeld von diesem Bar-Koch-Bar-Aufstand wurde erst mal die Hälfte der römischen Truppen dort überfallen und niedergemetzelt und daraufhin haben sie dann ja ihre Truppen dort verzehnfacht und sind dann einmal durchs ganze Land gezogen, haben über 500.000. Menschen direkt umgebracht oder ja Juden in dem Fall und eine unbekannte Zahl von Zivilisten noch, ist natürlich durch Hunger, Krankheit und Feuer gestorben. Es wurden um die 500 Siedlungen dem Boden gleich gemacht, 50 Festungen und wurden Brunnen zerstört und Felder teilweise durch Salz unbrauchbar gemacht und dann verbleibender Landbesitz wurde dann vom römischen Staat eingezogen und Überlebende, Wenn sie denn nicht flüchten konnten, wurden zu großer Zahl auch versklavt. Und um dem noch einen oben drauf zu setzen, so wurde dann das ganze Land auch noch umbelandt in Palästina von den Römern. Also so im Rahmen ihrer kolonialen Anstrengungen. Das heißt Palästina ist eigentlich so ein kolonial geprägter Begriff durch die Römer.

Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Wobei jetzt die Idee nicht erst in dem Moment aufkam, sondern die Bewegung des Zionismus, das bezieht sich halt auf den Berg Zion in Jerusalem, sozusagen die Heimstätte des ersten Tempels, sozusagen der Inbegriff der Geburt oder der Manifestation der jüdischen Religion, so kann man das glaube ich in etwa beschreiben. Das war sozusagen eine Idee, die von Juden weltweit vorangetrieben wurde, eben zu sagen, hör mal, wir haben überall Ärger, wir werden immer wieder verjagt, wir brauchen Land an unserem Ursprungsort. Wir müssen dort sein und wir müssen dort einen Staat haben, sonst wird es für uns nie Sicherheit geben. Und diese Bewegung kam halt so im 19. Jahrhundert schon auf, also Ende des 19. Jahrhunderts und wurde dann eben so von verschiedensten Leuten vorangetrieben. Theodor Herzl war so der Begründer der modernen zionistischen Bewegung und hat halt sozusagen diese Idee des Judenstaats geboren. Dann wurde das aber im internationalen Spiel der Kräfte immer wieder verschoben. Damals war dann eben das Gebiet, nennen wir es jetzt mal Palästina. Wie gesagt, es ist jetzt kein Staat, sondern es ist einfach die Region. Und alle, die quasi dort leben und gelebt haben, in dem Sinne Palästinenser. Wurde halt von vom osmanischen reich besetzt gehalten also die kräfte spiele also wir wollen jetzt hier keinen kompletten historischen diskurs machen mit wer wann wo wen angegriffen und überfallen hat und so weiter dann sitzen wir hier noch 30 stunden. Aber das ist sozusagen das Ding. Wurde dann aber im Rahmen der Beutezüge der Briten 1917 dann eben in britisches Gebiet überführt. Also die Briten haben letztlich dann die Osmanen dort vertrieben und sich dieser Gebiete angenommen, zu Protektoraten umgebaut. Quasi Kolonien, die sie nicht so nennen wollten. Und um aber die Osmanen dort vertreiben zu können, haben sie sich sozusagen sowohl mit den Juden als auch mit den Arabern dort verbündet. Und letzten Endes auch beiden quasi versprochen, hier hör mal, wenn ihr uns helft hier die Osmanen zu vertreiben, dann fällt da auch Land für euch bei ab. Das war so ein bisschen das Versprechen.

Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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So aber hier zeigt sich sozusagen die Idee ist eine sehr alte und sie existierte im Prinzip auch schon und diese Forderung existierte auch schon vor dem zweiten Weltkrieg. Aber wie du vorhin schon richtig gesagt hast, hat das natürlich durch den zweiten Weltkrieg nochmal eine besondere Bedeutung bekommen. In dieser Zeit, in den 20er und in den 30er Jahren, hat sich auch eine Menge getan, weil es gab schon eine zunehmende Einwanderung der Juden in dieses Gebiet. Also das kann ich jetzt ein bisschen schwer einschätzen, was da der primäre Faktor war, aber dieser kollektive Wunsch der Juden international an diesem Ort in irgendeiner Form zu einer staatlichen Lösung zu kommen, hat eben auch viele, glaube ich, auf die Reise geschickt, dort einfach mitzuwirken, da dran. Und das hat dann auch schon immer so ein bisschen für Spannungen gesorgt. Ich habe hier mal eine Zahl gefunden, die so ein bisschen ein Gefühl dafür gibt, wie das damals war. So 1922 ist dort das erste Mal so eine Zählung vorgenommen worden. Da gab es so einen Zensus. Und in dieser Region gab es damals ungefähr 590.000 Muslime, 84.000 Juden, 73.000 Christen, 7.000 Trusen, so in der Größenordnung. Also klar noch eine Mehrheit von Muslimen, aber wie gesagt, in den 20er und 30er Jahren gab es dann einfach eine zunehmende Einwanderungsbewegung. Vor allem auch aus Russland, von russischen Juden, aber im Prinzip von überall. Und das hat schon immer zu Spannungen geführt. Es gab auch verschiedene Angriffe, unter anderem das Massaker von Hebron 1929. Also die Konflikte vor Ort waren auf jeden Fall auch immer schon da. Aber nichts hat natürlich so sehr die Problematik wieder auf den Tisch gebracht, wie die Shoah, wie die Israelis das nennen, der Holocaust, also die Vernichtung, industrielle Vernichtung muss man schon fast sagen, von Juden durch die Nazis und danach war halt einfach mal klar, dass die Juden einen eigenen Staat brauchten und so wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg halt die Vereinten Nationen hervorgegangen sind aus dem Völkerbund, wo man gesagt hat, wir brauchen jetzt mal so eine internationale, naja Governance will ich jetzt nicht sagen, aber wir brauchen sozusagen einen Internationalismus, der in irgendeiner Form dazu beitragen kann, unsere internationalen Konflikte zu lösen. Das funktioniert hat, darüber kann man jetzt geteilter Meinung sein, aber das war die Motivation für die Gründung der Vereinten Nationen, der UN, die sich 1945 dann halt auch wirklich nach dem Krieg herausgebildet hat. Und eine der ersten Maßnahmen der UN war dann eben zwei Jahre später der sogenannte UN-Teilungsplan, also ein konkreter Vorschlag darüber, wie denn jetzt hier die palästinensischen Gebiete, Palästina, aufgeteilt werden soll zwischen jüdischen und arabischen Bevölkerungsgruppen.

Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Also ich war einmal in Jerusalem und zweimal, dreimal in Israel. Und Jerusalem ist schon wirklich beeindruckend. Wie, ich weiß nicht, überall in Jerusalem. Ich hab mir vor allem natürlich das Zentrum angeschaut, was ja sozusagen so der Inbegriff dieser Vierteiligkeit ist zwischen den einzelnen Religionsgruppen, weil ja sowohl Araber als auch Juden als auch Drusen als auch Christen dort sozusagen ihre Präsenz haben. Ich hatte so den Eindruck, man spürt die Geschichte, man spürt den Konflikt, man spürt aber auch irgendwie das, was eigentlich dort alle gemeinsam haben könnten. Aber trotzdem hat es halt nicht funktioniert. Egal, zurück zu diesem Teilungsplan. Es gab die notwendige Zweidrittelmehrheit, aber diese Zweidrittelmehrheit, die bestand halt im Wesentlichen aus den Großmächten USA, Russland, diverse lateinamerikanische, natürlich europäische Länder. Aber es stimmten natürlich auch 13 Länder dagegen. Und das waren vor allem arabische, muslimische Länder, aber auch Griechenland, Indien und ein paar haben sich enthalten. Mit anderen Worten, die Resolution wurde angenommen, mehr oder weniger beschlossen, aber der arabische Teil war eigentlich nicht glücklich mit dieser Aufteilung. Und zwar aus tausend Gründen wahrscheinlich. Also, ob es nun der Anteil ist oder die Tatsache, dass man dort überhaupt versucht eine Teilung vorzunehmen. Aber es gab halt zu diesem Zeitpunkt weder einen arabischen Staat, an diesem Ort noch einen jüdischen Staat. Man sieht das ja oft, dass dieser Zeitpunkt sozusagen genommen wird, als das war damals Palästina und dann ist die Hälfte davon den Juden gegeben worden. Mit dieser Implikation, dass Palästina das ist, was man heute unter Palästina versteht. Aber es ist halt Palästina das Gebiet und nicht der Staat. Und man hat versucht dort zwei Staaten daraus zu machen. Ja, dann kam es halt 1948, 14. Mai, kam es zur Gründung Israels auf Basis eben dieses beschlossenen Teilungsplans. Ja, dann dauerte es auch nicht lange und es gab den ersten israelischen-arabischen Krieg, weil unmittelbar nach dieser Unabhängigkeitserklärung Ägypten, Jordanien, Syrien, der Irak und der Libanon, also mit anderen Worten alle Nachbarn Israels plus der Irak, griffen mit dem, was sie militärisch zur Verfügung hatten, Israel an und wollten sozusagen verhindern, dass dieser israelische Staat in irgendeiner Form existiert oder, wie Sie das offiziell gesagt haben, Sie wollten die palästinensische Bevölkerung vor einem zionistischen Staat schützen.

Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Ja und was vielleicht auch, zum einen gibt es nicht nur diese zeitliche Anknüpfung, sondern auch eben andere Parallelen, dass Israel völlig überrascht war und es gab dann auch eine Untersuchung, wie es dazu kommen konnte, dass man nichts davon wusste, dass sie jetzt kommen würden und die Gründe, mal später noch, sind, waren damals ähnliche, warum man nicht damit gerechnet hat damals. Nämlich auch eine gewisse Überheblichkeit, Unterschätzung, Unterschätzen der Feinde und eben auch ein falsches Einordnen von Geheimdienstinformationen, die man zwar hatte, aber nicht geglaubt hat, dass sie sich das trauen, so einfach denen das nicht zugetraut hat. Obwohl man wusste, dass sie es können und dass da was tut, dass da Truppen aufmarschiert sind. Aber man dachte dann halt, naja, das sind halt reine Drogebärden und die werden schon nicht kommen. Und ein anderes Ding, was man noch zum Jom Kippur-Krieg erwähnen sollte, ist, dass es damals um ein Haar auch zu einer nuklearen Eskalation gekommen ist. Sowohl die Sowjetunion wollte taktische Atomwaffen einsetzen zu dem Zeitpunkt und ja, also da ging ziemlich viel dann im Hintergrund auch zwischen den USA und der Sowjetunion damals an Diplomatie, um eben einen Atomkrieg abzuwenden, weil zu dem Zeitpunkt Israel selber auch bereits schon Atomwaffen hatte. Und in dem Zusammenhang, wie gesagt, das war gefährlich damals. Also gefährlicher, als wir uns das heute so allgemein bewusst sind, dass damals auch die Welt kurz vor einem Atomkrieg im Nahen Osten stand.

Tim Pritlove
0:47:47

Der Yom Kippur-Krieg ist auch noch in einer anderen Hinsicht dann ganz interessant, wenn man jetzt auf die politische Lage blickt. Damals hieß die Ministerpräsidentin Golda Meir, die ja durchaus ihre Meriten für Israel hat und eigentlich eher, soweit ich das beurteilen kann, halbwegs populäre Ministerpräsidentin auch gewesen ist, aber halt in diesem Konflikt falsche Entscheidungen gefällt hat. Auch hier wurden Geheimdienstinformationen ignoriert. Es wurde eben kein früher Gegenschlag beschlossen und das führte dann eben dazu und später musste sie im nächsten Jahr schon zurücktreten. Also das ist natürlich jetzt im Blick auf die aktuelle Regierung der Tanjau. Dazu werden wir dann gleich noch ausführlich kommen. Auch nochmal eine ganz interessante Geschichte. Ja, dann gibt es jetzt erstmal keinen neuen Krieg, sondern wir springen ein bisschen in die nächste Zeit. 1978 gab es das sogenannte Camp David Abkommen. Und das ist jetzt, sagen wir mal, für mich auch ein interessantes Datum, weil so in meinem Leben war das somit das erste, was ich damals so von diesem Konflikt mitgenommen habe. Also ich bin ja 1967 geboren, also das war sozusagen als ich vier Jahre alt war, aber daran kann ich mich irgendwie noch erinnern. Das war so auf einmal Teil meiner medialen Wahrnehmung. Damals war das halt ein großes Ding. Menachem Begin und Anwar Sadat, der Führer Ägyptens, die waren halt dort, sozusagen Kim Davids, dieser Landsitz des US-Präsidenten. Ja, und unter der Vermittlung von Jimmy Carter wurde eben eine Friedensverhandlung geführt und ein Friedensabkommen auch geschlossen, was dann eben so ein bisschen zur Aussöhnung zwischen Ägypten und Israel geführt hat. Man hat also einfach eingesehen, das geht jetzt nicht so weiter, das führt zu gar nichts und immerhin gab es dann mal hier den ersten Friedensschluss zwischen einem arabischen Nachbarland von Israel und Israel selber. Wobei man vielleicht, ich weiß nicht ganz genau, was die Rolle von Jordanien dann später noch war, ob die sich zu dem Zeitpunkt da auch schon befriedet haben. Schauen wir gleich nochmal. Auf jeden Fall drei Jahre später wurde Anwar Sadat ermordet. Und zwar bei so einer Militärparade in Ägypten, in Kairo glaube ich irgendwo. Und die haben sich da gerade schön die vorbeifahrenden Militärfahrzeuge angeschaut und dann gab es aber so eine Assaultgroup, die ihn dann einfach mal niedergeschossen hat.

Pavel Mayer
0:50:34
Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
0:55:05

Also das war schon immer alles sehr vielfältig dort und sagt auch glaube ich einiges darüber aus, dass es da nicht so die eine Wahrnehmung gibt. Es gibt einfach viele Gruppen, die alle irgendwie unterschiedliche radikale oder offene, weltoffene Prägungen haben und es ist nicht so einfach dort eine Allianz von Kräften zusammen zu bekommen, die sowohl eine Mehrheit hat als sich auch in irgendeiner Form zentral führen lässt. Das ist auch in Israel ja heute nicht anders. Also auch die ganzen Regierungen in Israel sind immer von sehr breiten Koalitionen getragen, weil sie das müssen, weil es einfach so viele Splittergruppen gibt, die so sehr viel unterschiedliche Sichtweisen und Weltsichten vereinen müssen, um in irgendeiner Form überhaupt was auf der Kette zu kriegen. Das war jetzt sozusagen die Friedensgespräche in Oslo. Die haben dann auch tatsächlich eben dazu geführt, dass es eben diese palästinensische Autonomiegebiete dort dann gibt. Das war jetzt noch keine Staatenlösung, das war sozusagen so ein Vorläufer davon. So hat man das halt irgendwie gesehen. Und Arafat hat das halt irgendwie angeführt und das war dann so ein bisschen so die Vorstellung eigentlich der Welt, dass man so jetzt doch weitermachen könnte, um dann sozusagen hier wirklich mal zu einer Zwei-Staaten-Lösung zu kommen und quasi diese palästinensische Autonomiebehörde quasi so eine Vorstufe, so eine staatliche Vorstufe sein könnte. Zwei Jahre später wurde dann Yitzhak Rabin ermordet in Israel. Also das, was wir vorher schon bei den Ägyptern gesehen haben mit Sadat, das ist dann halt in Israel passiert. Also dadurch ist natürlich dann auch diese Friedensbewegung sozusagen im wahrsten Sinne des Wortes unter Beschuss gekommen. Also es ist immer ein Hin und Her und wer auch immer versucht hier für die Lösung des Konfliktes zu werben, ist sofort auch Feinde im eigenen Lager. Es ist ja wirklich schlimm. Die ganze Zeit, so ab Ende der 80er Jahre bis so mit in die Zehnerjahre rein oder in die Nullerjahre rein, Entschuldigung. Dann auch geprägt von Aufständen in den palästinensischen Autonomiegebieten. Jetzt muss man vorsichtig sein mit den Begrifflichkeiten. Also sage ich mal, der arabisch-palästinensischen Bevölkerung, die halt mit dem Gebaren der Israelis ihre Probleme hatten. Das ist natürlich jetzt auch Teil der Geschichte, dass eben diese immer wieder von weiterhin von Israel besetzt gehaltenen Gebiete natürlich auch eine Machtungleichheit zur Schau gestellt hat. Wo die Israelis gesagt haben, wie der Hase läuft und es eben mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Freiheit und den Menschenrechten der arabischen Bevölkerung dann nicht so weit her war. Das hat dann eben zu diesen Aufständen geführt, dauerhaften Aufstandszuständen der Intifada. Die erste Intifada ging so 1987 los bis 1993, die zweite ungefähr so 2000 bis 2005. Das waren also fortwährend Bilder, Steine schmeißende Gruppen, immer wieder Angriffe, einzelne Terroranschläge etc. Das Ganze dann wiederum gefolgt mit entsprechenden Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Armee, wo dann Häuser mit Bulldozern plattgemacht werden und andere Gräulichkeiten. Davon war einfach diese ganze Zeit geprägt. Und am Ende dieser Entwicklung stand dann aber irgendwann auch die Einsicht in Israel, dass man einfach jetzt vielleicht auch mal Konzession machen muss und in irgendeiner Form hier den Palästinensern ein Angebot machen muss. Und daraufhin haben haben sie sich 2005 aus dem Gaza-Streifen komplett zurückgezogen. Und ja, sozusagen mit der Idee, so nach dem Motto hier, habt ihr Gaza, macht doch jetzt, was ihr wollt, wir sind jetzt hier raus, vielleicht ist ja dann Ruhe.

Pavel Mayer
0:59:20
Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Pavel Mayer
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Tim Pritlove
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Ja, also vielleicht kann man an der Stelle mal einen Strich ziehen. Also es gibt natürlich jetzt noch tausend geschichtliche Details, die man jetzt hier aufzählen könnte. Aber ich sag mal, im Groben haben wir jetzt insbesondere die militärischen, politisch-militärischen Konflikte, die sozusagen dieses letzte Jahrhundert dominiert haben, aufgezählt, an denen sich die nennenswerten Änderungen der Gebietsbesetzung und der Verschiebung der Machtverhältnisse letztlich festmachen lassen. Und insgesamt bleibt aber der ganze Nahosten eben ein, wie man sagt immer so schön, ein Pulverfass, weil halt einfach immer kleinste Vorkommnisse können eben zur weiteren Destabilisierung führen. Da ist natürlich jetzt der arabische Frühling zu nennen, der hast du ja im Prinzip schon angedeutet, das war ja dann sozusagen die Auswirkung in Ägypten, dass dort halt der Präsident gestürzt wurde. Dann gab es Wahlen, Muslimbruderschaft kam ran und dann haben halt irgendwann das Militär gesagt, so ja, nee, machen wir nicht. Ja, wir haben gesehen, was der Syrienkonflikt für ein Leid ausgelöst hat und auch das Aufflammen des IS, des Islamischen Staates. Die Kriege im Irak, auch Nachgang zu 9-11 spielen natürlich auch nochmal alle eine besondere Rolle. Und vor allem ist halt das Thema Palästina zu so einem Globalthema geworden und ist eigentlich auch immer das, woran sich alles festmachen lässt bei dieser schwierigen Annäherung zwischen dem arabischen und dem westlichen Raum vor allem.

Pavel Mayer
1:04:45

Der Eindruck, der bei mir jetzt auch entstanden ist, aus all dem, was passiert ist, historisch ist, dass im Grunde genommen die Palästinenser, wobei man korrekterweise von arabischen Palästinensern sprechen müsste, weil auch die Juden und die Christen, die da leben, sind auch alle Palästinenser, dass die im Wesentlichen instrumentalisiert worden sind von allen möglichen arabischen Ländern, um diesen Konflikt mit Israel zu schüren. Schüren. Das heißt, dass im Grunde genommen auch der Konflikt in Palästina so ein bisschen ein Stellvertreterkrieg oder ein Stellvertreterkonflikt ist zwischen Israel und dem Großteil der arabischen Staaten. Was jetzt gerade auch wichtig ist im Zuge der sogenannten Normalisierungsbemühungen, die Israel jetzt unternommen hat, nämlich die Verhältnisse mit mehr arabischen Staaten zu normalisieren. Die meisten arabischen Länder haben nicht mal diplomatische Kontakte zu Israel und erkennen Israel als Staat gar nicht an. Da hat jetzt in den letzten Jahren Israel zunehmend Fortschritte gemacht. Und es sieht so aus, wird jetzt vom Ausgang des Konflikts abhängen, dass aber eine große Zahl von Normalisierungen passieren wird und dass dann im Zuge dessen quasi die Palästinenser überflüssig werden als Instrument dieses Konflikts. Was auch für diese These spricht, aus meiner Sicht, dass es den arabischen Ländern mehr um sich selbst, um ihre eigenen Interessen geht, als um die Interessen der arabischen Palästinenser ist, dass, ja, vorhin erwähnt, der Gaza-Streifen unter ägyptischer Verwaltung lange stand. Die Westbank unter jordanischer Verwaltung und in der Zeit ging es den Palästinensern, den Arabischen jetzt auch nicht gut. Ja, also es war jetzt auch nicht so, dass sie gesagt hätten, hier super, ja, also auch die haben da jetzt nicht, nicht jetzt das, aus meiner Sicht, das Wohl der Palästinenser irgendwie jetzt gerade als, als hohe Priorität gehabt, sondern eben hatten den Eindruck, dass man sagen diesen Konflikt einfach hervorragend nehmen und instrumentalisieren kann, um Israel unter Druck zu setzen.

Tim Pritlove
1:07:56

Ja und ich meine so Länder wie Saudi-Arabien und so weiter, denen hätte es ja auch nie an Mitteln gefehlt sozusagen hier einfach mal für wirtschaftlichen Aufschwung zu sorgen in diesen Gebieten. Das findet ja auch nicht statt. Warum das dann im Einzelnen nicht stattfindet, das lässt sich nicht mit abschließender Sicherheit, nicht mal mit annähernder Sicherheit in irgendeiner Form sagen, weil wir haben es ja hier mit einem Machtspiel zu tun, was auch deutlich über dieses Gebiet hinaus geht. Das hat was mit dem Verhältnis Saudi-Arabiens zum Iran zu tun. Das hat was mit den Konflikten, die Iran auch mit dem Irak hat. Es gab ja viele Kriege. Syrien ist hier ein Player, der eigene Interessen verfolgt. Und neben Israel und palästinensischen Gebieten, gibt es ja auch noch andere Länder, die genauso auch quasi unter diesem Konflikt leiden. Da ist vor allem der nördliche Nachbar der Libanon zu nennen, der sozusagen auch so ein mehr Religionsstaat geworden ist. Aber nicht nur das, auch so ein Staat in dem mehrere oder fast gar keine Mächte mehr, je nachdem man es betrachten möchte, wirken, weil auf der einen Seite hast du halt eine fortwährende korrupte Regierung und Libanon liegt wirtschaftlich mittlerweile am Boden und im Süden hast du dann eben wiederum die Hezbollah als Staat im Staate, die eben auch eine weitere Gefährdung, gestützt durch den Iran, für Israel im Norden darstellt. Also man kann hier immer wieder schauen auf die einzelnen Player und die sind sich alle nicht einig. So dieses einheitliche, jetzt muss es aber mal für die arabische Bevölkerung in Palästina einen Start geben und wir setzen das jetzt mal durch. Die Möglichkeit hätte es gegeben, wenn sich da auch wirklich alle einig gewesen wären.

Pavel Mayer
1:09:59
Tim Pritlove
1:10:50
Pavel Mayer
1:11:24
Tim Pritlove
1:12:54

Also ich denke, das wird ja nicht unsere letzte Sendung zu diesem Thema bleiben. Und wir können sicherlich auch noch auf einzelne Player noch mal separat schauen. Gerade das Involvement von Russland wird ja hier auch noch mal kräftig hinterfragt, ja, inwiefern die hier weiteres Öl ins Feuer gießen. Ebola, Iran etc. Also all diese ganzen Kräfte müssen wir auf jeden Fall auch nochmal aufzählen, aber das würde jetzt... Zu weit führen. An dieser Stelle denke ich sollten wir mal auf die aktuelle Situation zu sprechen kommen. Was ist also passiert? Vor einer Woche am 7. Oktober 2023 gab es halt einen Überraschungsangriff der Hamas auf Israel. Und um vielleicht zu verstehen was da passiert ist, muss man auch erstmal die aktuelle Situation von diesem Gaza-Streifen vielleicht nochmal klar rücken. Der Gaza-Streifen ist halt im südlichsten Teil Israels am Mittelmeer gelegen und ist gar nicht mal so groß. Also von der Länge her ist das so ein bisschen wie London, kann man sagen. Also von Norden bis Süden sind es gerade mal 40 Kilometer. An der breitesten Stelle sind es zwölf Kilometer, an der schmalsten Stelle dieses Streifens sind es irgendwie fünf oder sechs Kilometer. Also es ist wirklich ein sehr kleines Gebiet und dort leben halt zwei Millionen Leute. Und da es halt jetzt schon in den letzten Jahren so viel Ärger gab mit der Hamas, weil Raketenangriffe, wie sie jetzt stattgefunden haben, sind nichts Neues. Sozusagen etwas, was einerseits ja am Norden von der Hespola auch schon immer wieder betrieben wurde, aber eben auch von der Hamas seit 2006 regelmäßig stattfindet. Deswegen gibt es hier einen Sicherheitsstreifen um dieses ganze Gebiet herum und einen Zaun. Teilweise auch Mauern, teilweise auch bis tief in den Boden gerammte Befestigungen, um die Tunnelbildung zu verhindern. Das hat nur so begrenzt funktioniert, kann man glaube ich sagen. Und in diesem Gebiet, in dem es sozusagen rundherum um Gaza eigentlich nur Israel gibt, mit der einzigen Ausnahme der Südlinie, wo es halt an Ägypten grenzt, In diesem Gebiet ist die Hamas halt seit Jahren dabei, im Prinzip die Voraussetzung für weitere Angriffe auf Israel zu schaffen, indem sie Tunnel baut, indem sie Waffenlager anlegt, unterirdisch, teilweise in zivilen Gebäuden oder vielleicht sogar mehrheitlich, ich weiß es nicht. Und ja, eine permanente Bedrohung Israels darstellen. Und Israel hat sich dann entsprechend gewappnet, vor allem durch Technologie kann man sagen. Also erstmal durch klassische Militärtechnik, also eben diese ganzen abschottenden Zäune und Anlagen, entsprechende Militärposten um Gaza rundherum. Es gibt da keinen Ort, der nicht in irgendeiner Form eine militärische Präsenz hat normalerweise. Ja, und vor allem in den letzten Jahren haben sie dort technisch aufgerüstet und zumindest Haben Sie das geglaubt, indem Sie dort automatische Überwachungsanlagen installiert haben mit Sensoriken, mit Kameras und allem Möglichen?

Pavel Mayer
1:16:24

Ja, also die Fertigstellung von diesem Zaun oder Mauer, wie immer man das Ganze nennen will, wurde so Ende 2021 verkündet. Also am 7. Dezember 2021 hat Israel angekündigt, dass diese Grenzbefestigungen jetzt fertiggestellt sind. Vor allem der unterirdische Teil und ja, wie du schon richtig sagtest, so ziemlich viel Hightech, also oben einen Zaun. Befestigungen, die tief nach unten gehen. Wie tief ist geheim, aber so wohl teilweise bis zu 30 Meter nach unten, um zu verhindern, dass dort Tunnel gebaut werden, mit entsprechenden Sensoren, die dann tief eingelassen sind, sodass es Alarm gibt, wenn da versucht jemand drunter durchzutunneln. Und dann eine Seebarriere, weil auf der Mittelmeerseite dann eben jede Menge Radarsysteme und Kontroll- und Überwachungsräume plus ferngesteuerte Maschinengewehre, so ein bisschen wie, ja, an Star Wars erinnerte mich das dann, wo sie immer diese Century Auto Cannons haben, die sie dann irgendwo reinstellen oder es ist generell so ein Science Fiction Trope, habe ich das Gefühl, wo dann, ja, wie diese automatischen, ganz in Aliens hatten, gab es die Dinger auch und so. Also solche Sachen haben die da, wobei die, glaube ich, nicht intelligent sind, wobei angeblich KI haben sie wohl auch eingesetzt dort. Und ja, das Ding war halt, wie gesagt, ist jetzt seit anderthalb Jahren fertig. Insgesamt 65 Kilometer, 140.000 Tonnen Stahl und hat wohl dreieinhalb Jahre Bauzeit gehabt, so das Ganze. Aber ja... Ganz offensichtlich hat es nicht gereicht bzw. War vielleicht auch mit eine Ursache, dass das Ganze passieren konnte, weil ja, man doch dann sehr auf Technik vertraut hat und ein Gefühl, dass Menschen einfach, wenn die, also kaum etwas ist so gut wie Menschen, wenn es darum geht, irgendwie Technik zu zerstören, die nicht von Menschen bewacht ist. Also ich hab das Gefühl, Roboter aufstehen, also Roboter haben einfach keine Chance, so, no way, also Menschen sind einfach zu bösartig und was halt hier in dem Fall eben auch passiert ist, also es ging wohl los, Du dachtest, mit einer Raketenbarrage, mit mehreren tausend Raketen, die in kurzer Zeit abgeschossen wurden, die ja auf Israel, die dann den Iron Dome überlastet haben, sodass viele der Raketen dann auch durchgekommen sind.

Tim Pritlove
1:19:38
Pavel Mayer
1:20:27
Tim Pritlove
1:22:15
Pavel Mayer
1:22:17
Tim Pritlove
1:22:37
Pavel Mayer
1:22:55
Tim Pritlove
1:23:48
Pavel Mayer
1:25:09

Und man konnte in den Bildern auch mindestens zwei verschiedene Arten von Truppen beobachten, die da rein sind. Das eine waren halt Kämpfer, die im wesentlichen Waffen und Munition dabei hatten, aber ansonsten nichts. Also keine Plate Carrier, also keine Panzerung, also keine Körperpanzerung oder so, die sie jetzt vor Kugeln geschützt hätte, keine Verbandskästen, keine Medizin, keine Tourniquets, kein Wasser, ja. Also wo man dann davon ausgehen könnte, also entweder wollten sie gar nicht weit rein oder was wahrscheinlicher ist, dass viele von denen nicht damit gerechnet haben, wieder zurückzukommen. Das heißt, dass es auch einen Großteil von Kämpfern waren, die letztlich das Ganze als Selbstmordangriff gesehen haben. Die da rein sind, ohne Wasser, ohne Medikamente und dann eben auf alles geschossen haben, was sich an Israelis bewegt hat und gezielt versucht haben, so viele Israelis wie möglich zu töten, darunter dann auch Frauen und Kinder und Alte und Behinderte und ja, also ja, dort im Prinzip gewütet haben, wie Eis ist, da kommen wir dann auch noch später drauf. Bis dann gab es eine Gruppe, konnte man sehen, die waren, die schienen militärisch professioneller ausgerüstet zu sein, die hatten halt dann teilweise eben auch Körperpanzerung und so mehr militärisches Gier und viele von denen hatten wohl den Auftrag, Gefangene zu nehmen, also Geiseln zu nehmen. Das waren dann im Wesentlichen... Die dann diese 100 oder 100 bis zu 150 Geisen, ich glaube 120 sind bestätigt im Moment, die halt mit zurückzuschleppen. Und es gab dann auch Meldungen von den Gefangenen Palästinensern, dass die zum einen selber überrascht waren, wie erfolgreich sie waren, also wie weit sie gekommen sind und damit hatten sie nicht gerechnet. Und die ganze Sache war wohl auch sehr kompartmentalisiert, also sie wussten selber nicht, dass es so ein großes Ding werden würde. Sie wussten nur jeweils, was ihr kleiner Trupp für eine Aufgabe hatte und haben auch erst kurzfristig nur das mitgeteilt bekommen, dass sie jetzt da raus sollen. Also das Ganze war eben auch sehr aufwendig geplant, mit natürlich sehr viel auch durchaus Sicherheit im Hintergrund. Sowieso viele Zellen, die unabhängige Zellen, die voneinander nichts wissen und die dann losgezogen sind. Und man geht davon aus, dass die Vorbereitung wohl mindestens sechs Monate gedauert haben muss von dieser komplexen Operation und dass das wahrscheinlich sogar mit Vorlauf irgendwann bis zu zwei Jahre zurückreicht, die Vorbereitung dieser Operation. Das heißt. Wenn man jetzt überlegt, wer da vielleicht seine Finger drin hat in dieser konkreten Aktion jetzt, dann kann man wahrscheinlich auch Russland so ein bisschen abhaken, weil wahrscheinlich in der Zeit sie einfach andere Sorgen hatten. Und wie viel jetzt Iran konkret davon wusste, dass das passieren wird, ist auch noch umschlagen. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass auch einige, also speziell im Iran, jetzt auch ein bisschen erschrocken sind über die, ich sag mal, großen in Anführungszeichen Erfolge. Und ja, dass das bisschen aus dem Ruder gelaufen ist, das Ganze auch möglicherweise.

Tim Pritlove
1:30:01
Pavel Mayer
1:31:21
Tim Pritlove
1:32:40

Keine Ahnung, also ich glaube nicht, dass es hier primär um Zahlen geht, sondern man muss sich jetzt einfach mal vorstellen, dass sozusagen diese Situation für Israel ist halt. Das Schlimmste, was dem Land widerfahren konnte, in ihrer Selbstgewissheit. Das haben wir ja bei den anderen Konflikten und beim ersten Jom Kippur-Krieg auch schon erwähnt. Man wähnte sich halt sicher. Man wähnte sich sicher durch eine hochgerüstete Armee. Man wähnte sich sicher durch eine maximale Absperrung dieses Gebiets, durch den Eierndom, die Geheimdienstaufklärung, die traditionell sehr hoch angesehen ist. Man geht immer davon aus, dass der israelische Geheimdienst alles weiß und dass es unmöglich ist, dass so eine große Operation geplant werden kann, ohne dass man davon Wind bekommen hat. Jetzt wissen wir nicht, ob nicht doch jemand Wind davon bekommen hat und das sozusagen nur auf dem Weg nach oben ignoriert wurde. Das kann natürlich auch sein. Aber so oder so, im Endeffekt war einfach die entsprechende militärische Reaktion zu spät und hat eben dazu geführt, dass mindestens zum aktuellen Zeitpunkt mindestens 1300 Israelis umgebracht worden sind. Nochmal wahrscheinlich das Dreifache davon an Verletzten zu beklagen ist und es dabei eben einfach All Walks of Life betroffen hat. Also es hat einfach wirklich auch die Schutzlosesten hier auf grausamste Art und Weise niedergemetzelt worden. Und das ist dann halt schon so ein 9-11-Moment. Und wenn man es mal auf die Bevölkerungsdichte umrechnet, was sozusagen bei 9-11 passiert ist, sind auch 3.000 Leute umgekommen. Hier sind wir quasi bei der Hälfte dieser Zahl, aber bei einer viel, viel kleineren Gesellschaft. Also das ist sozusagen aus der Perspektive Israels ist das so 9-11 mal 15. Es ist einfach eine super Tragödie und das trifft natürlich das Land auf vielen Ebenen super hart. Abgesehen davon, dass natürlich einfach der Act selber schon überhaupt nicht geht. Es ist halt einfach ein Schockzustand, in dem sich diese Gesellschaft jetzt befindet und die kennt natürlich jetzt nur eine Reaktion und die ist, wir halten da jetzt so lange drauf, bis da nichts mehr kommt. So, das ist einfach die einzige denkbare Reaktion. Und natürlich zittert jetzt so ein bisschen die Welt mit, weil sie auf der einen Seite das Verteidigungsrecht Israels natürlich anerkennt, aber auch weiß, was, und das haben wir ja hier vorfeldausführlich und auch deshalb ausführlich besprochen, weil das alles so eine unglaubliche weitlaufende Dimension hat. Denn wenn es hier richtig knallt und sich die Gemüter weltweit weiter aufheizen um diesen Konflikt herum und das wird zwangsläufig passieren, dann wissen wir halt nicht, welche Player hier noch mit reingehen. Aber bevor wir auf dieses Zukunftsszenario gehen, wollte ich erstmal schauen, was wir denken, was jetzt als Reaktion Israels passieren wird und was das alleine jetzt erstmal bedeutet. Also wir haben jetzt die letzte Woche gesehen, wie vor allem erstmal versucht hat, klar Schiff zu kriegen, also erstmal die ganzen Kampfnester zu beenden und den Angriff als solchen erstmal zurückzuschlagen und sozusagen die Angreifer wieder auf das Gebiet von Gaza zurückzudrängen. Da gehe ich jetzt mal davon aus, dass es jetzt nach einer Woche weitgehend passiert. Parallel dazu gibt es natürlich nach wie vor Raketenangriffe. Es ist nicht so, dass es jetzt nur am ersten Tag mal ein paar Raketen geregnet hat, sondern Sie sind mit einer Barrage von, ich weiß nicht, ich habe alle Zahlen gehört, von 2.000 bis 5.000 Raketen gestartet. Das sind günstige Raketen, die alle möglichen Reichweiten haben, die also sehr kurze Flugstrecken absolvieren können, aber auch teilweise bis zu 150 Kilometer. Man geht davon aus, dass sie im Prinzip alle Bereiche Israels erreichen können. Dieser Eierndom ist permanent in Betrieb und andere Flugabwehrsysteme sind ja nicht das einzige System, was es da gibt. Es gibt auch noch diese Sling of David Abwehrsysteme etc. Egal, das ist ein technisches Detail. Aber das läuft sozusagen noch, also jetzt schon. Obwohl Israel Luftschläge gegen Gaza fliegt am laufenden Meter und da jetzt glaube ich auch schon irgendwie 6000 Angriffe geflogen worden sind, gibt es nach wie vor Angriffe mit Raketen auf israelisches Gebiet.

Pavel Mayer
1:37:30
Tim Pritlove
1:39:23

Also wir sollten erstmal noch beschreiben, was schon passiert ist. Also was ja auch noch passiert ist, ist die Mobilisierung der Reservisten. Israel hat eine Standing Army von ungefähr 160.000, Soldaten, die permanent im Einsatz sind. Und man muss wissen, jeder Israeli war bei der Armee. Also sicherlich gibt es ein paar Ausnahmen, aber im Kern jeder Mann, jede Frau in Israel war bei der IDF und das Reservistenherr ist dementsprechend sehr, sehr, sehr groß. Ungefähr 300.000 Israelis aus der Reserve mobilisiert. Das heißt, wir reden davon, dass wir jetzt quasi eine Armee von 460.000 Menschen. Staat haben, auf einem Gebiet von der Größe von Hessen und die jetzt in irgendeiner Form bereit sind, das Land zu verteidigen bzw. Natürlich dann auch Gaza anzugreifen. Weil darauf läuft es jetzt hinaus. Wenn man sich die öffentlichen Äußerungen des Ministerpräsidenten und der IDF-Vertreter und Pressesprecher anschaut, ist es klar, das offiziell formulierte Ziel Ziel ist, Hamas sozusagen so weit zu zerstören, bis von ihnen keine Gefahr mehr ausgehen kann. Und wenn man sich anschaut, wie sehr Hamas sich eben im Gaza-Streifen eingegraben hat, im wahrsten Sinne des Wortes, dann ist halt klar, dass das eben nur, also dass es nicht mal nur mit den jetzt schon laufenden Luftschlägen getan ist, sondern dass wir jetzt hier über eine Invasion reden, also einen direkten Einmarsch der israelischen Armee auf den Gaza-Streifen ist speziell in Gaza, der Stadt, also wenn man sich Gaza-Streifen anschaut, ist Norden die größte Bevölkerungsdichte, eben in der Stadt Gaza, die dem Ganzen ihren Namen gegeben hat. Nach Süden gibt es dann auch noch weitere Städte, die nicht ganz so groß sind. Es gibt dann so eine Trennlinie, so ein, wie heißt der, der Wadi Gaza, Gaza-Fluss, der halt den Norden und den Süden so auf zwei Drittel trennt. Und die israelische Armee verteilt jetzt Nachrichten über alle Kanäle, einschließlich Flugblättern, die über dem Gebiet verteilt werden, wo halt die Bevölkerung in Gaza aufgefordert wird, sich doch südlich dieses Gebietes zu begeben. Das betrifft ungefähr eine Million Menschen. Sicherlich wird es nicht allen möglich sein, das auch zu tun, zumal es auch Berichte gibt von Hamas-Kontrollposten, die die Leute auch teilweise schon daran hindern oder ihnen zumindest zureden, das nicht zu tun. Das muss man jetzt sehen. Es gibt auf jeden Fall eine große Fluchtbewegung und wir stehen halt unter Umständen vor einem Einmarsch der israelischen Armee in Gaza, was natürlich nochmal eine ganz andere Dimension hat. Also das ist sozusagen das, was sich jetzt abzeichnet und wir stehen jetzt sozusagen genau an diesem Punkt und werden wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt, wo wir diesen Podcast schon veröffentlicht haben, werden wir unter Umständen auch schon die ersten Einmarschbewegungen dokumentiert bekommen. Jetzt, wo wir jetzt gerade reden, ist es gerade noch nicht so weit.

Pavel Mayer
1:42:56

Was auch noch erwähnenswert ist, du sagtest ja vorhin 450.000, Soldaten, die mobilisiert sind. Auf Deutschland umgerechnet ungefähr wäre das so, als wenn Deutschland jetzt vier Millionen Soldaten unter Waffen gebracht hätte. Nur mal so also die die Relationen und was vielleicht auch noch interessant ist jetzt der der Vergleich Israel-Gaza also Israel hat so mit 55.000 Dollar pro. An Bruttoinlandsprodukt ungefähr dasselbe pro Kopf wie Deutschland. Also Deutschland auch so 54, 55. Also du kannst sagen, Israel ist pro Kopf ein ähnlich reiches Land wie Deutschland. Gaza gehört dagegen zu den ärmsten Regionen der Welt mit ungefähr, ich weiß nicht, zwischen 1000 und 1500 Dollar. Pro Kopf Bruttoinlandsprodukt. Das heißt, wir haben also jetzt ein Israel, was wirtschaftlich ja ungefähr 30 Mal so viel Geld pro Kopf zur Verfügung hat. Und auch nochmal, ich glaube die sind bei 3,5-4% vom GDP, was sie für Verteidigung ausgeben. Also Israel ja, hat ein substanzielles Militär und ein sehr modernes Militär. Israel hat auch die F-35 und als einziges Land dort in der Gegend, also nicht mal die Saudis, haben glaube ich jetzt bisher welche bekommen. Kriegen wir vielleicht auch keine wegen Israel oder erst welche, wenn sie Frieden mit Israel machen. Und ansonsten, ja, einfach, ich glaube, sie über tausend Kampfpanzer und auch tausende von gepanzerten Kampfpanzerwagen und wahrscheinlich auch eine Luftwaffe mit irgendwie in der Größenordnung von tausend Flugzeugen. Also das ist schon militärisch von der Modernität her und von der Ausbildung und von der Zahl her ist das jetzt kein Vergleich. Wenn man jetzt auf der einen Seite eben das israelische Militär, auf der anderen Seite Hamas mit 30.000, Kämpfern und improvisierten Gerät, ist das Kräfteverhältnis erst einmal unglaublich einseitig auf Seiten Israels, so rein militärisch betrachtet.

Tim Pritlove
1:45:46

Tja, nur wir wissen halt, wenn man angreift, dann ist die Situation der Verteidiger definitiv erstmal im Vorteil. Und außerdem haben wir es hier mit einer Organisation zu tun, die mal salopp gesagt auf ihre Bevölkerung weitgehend scheißt. Würde sie das nicht tun, hätten sie diese Angriffe niemals gestartet. Denn bei den Dimensionen, die sie dort geplant haben, muss der Hamas klar gewesen sein, was die Folge davon sein wird. Und die werden jetzt nicht überrascht sein, dass Israel jetzt auf ihr Gelinde kommen will und sagen, hola, so haben wir aber nicht gerechnet, wegen der paar Raketen, regt ihr euch gleich so auf, regt euch mal ab. Sondern das ist Teil der Kalkulation. Es geht darum. Es war das Ziel von Anfang an, hier eine maximale Eskalation zu erreichen. Ob es in der Dimension am Ende so von ihnen vorhergesagt wurde, das werden wir vielleicht nie erfahren, spielt zu diesem Zeitpunkt natürlich auch gar keine Rolle mehr, weil so wird es jetzt kommen. Und das bedeutet natürlich, dass die Hamas sich eingraben wird und sie werden halt, so wie sie es bisher schon immer getan haben, sich unter zivilen Gebäuden verstecken. Sie werden sich in Krankenhäusern, allen möglichen anderen Orten, strategisch wichtige Tunnel, Lagerstätten, Waffenlager und Rückzugsgebiete geschaffen haben. Während Israel jetzt versucht, all die ihnen bekannten Funktionsräume erst mal direkt von der Luft zu beschießen, um dann später in einem zweiten Schritt durch die Bodenoffensive dann all der Leute habhaft zu werden, der sie habhaft werden wollen. Und da zeigt sich gleich noch das nächste Problem, abgesehen davon, dass also schon in dem ersten Schritt der gerade läuft und im zweiten Schritt der folgt, natürlich tausende der normalen zivilen Bevölkerung in Gaza zu Schaden kommen werden und schon zu Schaden gekommen sind. Wir haben ja auch noch das spezifische Problem der Geiseln. Und das ist halt in Israel schon immer eine besonders sensitive Geschichte gewesen. Es gab Fälle, da hat die Hamas zwei oder drei israelische Soldaten entführt bekommen. Die sind dann gegen, ich weiß nicht, hunderte palästinensische Gefangene getauscht worden, weil einfach die die israelische Bevölkerung bereit ist, diesen hohen Preis zu zahlen, weil eben der Schutz des Einzelnen, des Individuums in Israel, in dieser Bevölkerung so einen hohen Stellenwert hat. Und der hat deshalb so einen hohen Stellenwert, weil das ganze Selbstverständnis des Staates, dass das Grundgerüst Israels basiert unter anderem darauf, dass es den starken Staat gibt. Sicherheit für alle sicherzustellen. Wir haben ja diese ganze Geschichte erzählt. Die Verfolgung, die Vertreibung aus allen Ländern, Vertreibung aus Judäa, aber eben auch die Vertreibung wiederum aus all den Gebieten, wo sie hingeflohen sind. Das heißt, die Geschichte des Judentums ist geprägt von Verfolgung, Vertreibung, von Bedrohung Und spätestens mit dem Holocaust hat das Ganze auch eine Dimension angenommen, wo Sicherheit und dieses Lass uns doch bitte in Ruhe so eine hohe Bedeutung hat, dass das quasi so die Grundräson ist, dass einfach der Staat hat das zu leisten für die Bürger. Das ist sozusagen Thema Nummer eins. Und das ist halt jetzt durch diesen Angriff schon zu Schaden gekommen und bei Entführung ist es natürlich auch so eine Sache, dass jetzt auch die ganze Gesellschaft hier in so einen Grenzbereich reinkommt, weil sie wissen auf der einen Seite, diese Geiseln zurückzubekommen ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Man kann davon ausgehen, dass die Hamas, weil sie das weiß, weil sie dieses große Interesse an dem Zurückbringen von Geiseln der israelischen Gesellschaft kennt, natürlich ihn maximal schwer machen wird, sozusagen. Also wenn so eine Befreiung überhaupt möglich ist, dann eben nur unter größten Verlusten. Und das schmerzt natürlich dann auch wieder auf der anderen Seite und wird natürlich auch sehr viel mehr Kollateralschäden in der eigenen Bevölkerung, also in der Gaza-Bevölkerung, nach sich ziehen. Also hier gibt es keine Gewinner. Das wird einfach eine ganz furchtbare Geschichte werden.

Pavel Mayer
1:50:31
Tim Pritlove
1:51:33
Pavel Mayer
1:51:38

Ja und selbst wenn sie dann was weiß ich, USB Sticks oder Handys durch die Tunnel nach draußen schicken. Also die Bilder werden von Grausamkeiten, werden da rauskommen. Das lässt sich heutzutage einfach nicht unterbinden und damit rechnet eben auch Hamas, sodass sie die Zivilbevölkerung nicht wirklich schützen wollen, sondern eigentlich so viele tote Zivilisten wie möglich in kurzer Zeit sehen wollen. Und dazu setzen sie ja generell auch in Kriegsverbrechen menschliche Schutzschilde ein, wie es so schön heißt. Also positionieren dann Zivilisten rund um Waffenlager oder lagern Waffen unter Krankenhäusern oder so. Das ist halt ja, das, was sie tun so. Und deswegen, ja, wird es halt sehr, sehr schwierig werden bzw. Das Gefühl, dass so ein Einmarsch jetzt in den Gaza-Streifen. Der Hamas erst mal voll in die Hände spielt und zu den Entführten und so, das spielen die jetzt auch noch ganz, ganz krass und die haben nämlich dann von den Entführten teilweise auch die Nummern von Freunden und Verwandten aus den Handys rausgeholt und rufen jetzt gerade wohl direkt auch bei Freunden und Verwandten der Entführten an und kontaktieren die, um Druck aufzunehmen. Aufzubauen. Und ja, schon gesagt, dass Israel ist vielleicht in der Hinsicht eine recht offene Gesellschaft, eine Demokratie, auch wenn die jetzt auch in Gefahr ist durch den letzten Rechtsruck. Aber ja, da findet halt schon einfach eine lebhafte Debatte in der Gesellschaft statt, über alles. Und man liebt auch Untersuchungen. Also es wird zu der Frage, ist alles schief gegangen und so wird es und also dieser Konflikt wird auch von den Israelis selbst ziemlich auseinandergenommen werden und interessanterweise gibt es ja mittlerweile auch in der israelischen Presse gerade auch sehr viel Kritik trotz allen Zusammenrückens und sagen Einheit und Einheitsregierung, jetzt brodelt es trotzdem schon gewaltig, weil das natürlich gerade die israelische Gesellschaft vor jede Menge Dilemma darstellt. Es gibt keine gute Lösung. Und im Moment sieht es auch so aus, als würden sie dann im Moment noch das Spiel von Hamas mitspielen oder mitspielen müssen, leider die Israelis.

Tim Pritlove
1:54:48

Also ich meine, da werden Sie auch schon mal was von gehört haben, dass das die Strategie der Hamas ist. Und alle Auseinandersetzungen auch mit der Hezbollah in diesem Krieg da 2006 und mit Hamas in Gaza auch schon bisher, es ist halt eigentlich immer darauf hinaus gelaufen, dass irgendwann so eine Übersättigung der weltweiten Öffentlichkeit mit dem Thema da ist und sozusagen das politische Kapital dann verbraucht ist, diese Maßnahmen weiter zu tragen. Allerdings glaube ich, dass wir es jetzt bei dieser Auseinandersetzung mit einer anderen Dimension zu tun haben. Dass jetzt hier nicht nach zwei Wochen irgendwie Ruhe sein wird und sich Israel dann irgendwie auf irgendeinem Status quo einlassen wird, sondern sie werden jetzt bestimmte Ziele, die ich nicht genau benennen kann, die sie wahrscheinlich auch selber so nicht benennen werden, sondern die nur vage mit von der Hamas Das soll keine Gefahr mehr ausgeben, beschreiben. Diese Ziele werden sie erreichen wollen und da werden sie sich sicherlich auch von vielem nicht abhalten lassen. Droht natürlich die Gefahr eines Flächenbrands im Sinne von eines Kriegseintritts anderer Parteien. Allerdings habe ich eben, das hast du ja auch vor einiger Zeit schon mal angesprochen, noch nicht unbedingt so den Eindruck, dass jetzt die anderen Gruppen alle so begeistert sind, in diesen Terror der Hamas mit einzusteigen. Während halt dieses schon ritualhaft vorgetragene, wir unterstützen Palästinenser bei ihrem Freiheitskampf, dass das sozusagen natürlich gebetsmühlenartig wieder wiederholt werden wird und es gibt natürlich Demonstrationen etc. Pp. sind glaube ich die Politiker und die Diktatoren oder die Machtpersonen in den anderen Ländern nicht unbedingt jetzt so scharf darauf, sich mit Israel anzulegen. Nicht nur weil sie vernichtend geschlagen werden können, sondern weil es auch einfach gar nicht mehr so sehr in ihrem Interesse ist. Wir haben ja gerade gesehen, und das mag ein Auslöser gewesen sein, dass die Hamas eigentlich verhindern möchte, dass es zu einer Aussöhnung zwischen Israel oder einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien kommt, wie es ja mit anderen Ländern auch schon stattgefunden hat. Und das mag ein Teil der Motivation gewesen sein, weil die Hamas, wie jede Terrororganisation, lebt nur davon, dass es den Konflikt gibt und dass es irgendwie Auseinandersetzungen und Streit gibt. Denn dann wird immer nach radikalen Maßnahmen und nach radikalen Führern verlangt und diese Leute können halt nichts anderes. Während eben die anderen sich vielleicht auch an anderen Maßstäben orientieren und nicht halt immer so an dieser ganzen moralischen Überbau orientieren, sondern einfach sagen, ist eigentlich billiger und bringt mehr Geld. Und das könnten wir ja auch mal machen.

Pavel Mayer
1:57:57

Wie gesagt, die Frage ist, wie viele, also wie selbstbestimmt können die Menschen im Gaza-Streifen über ihr Schicksal entscheiden. Und vor dem Hintergrund, die Hälfte der Bevölkerung im Gaza-Streifen ist jünger als 18 Jahre. Und viele von denen sind eben auch nie aus dem Gaza-Streifen rausgekommen und haben noch nie einen Israeli oder einen Juden gesehen. Und sind halt entsprechend dann auch so junge Leute leicht manipulierbar und erst recht, dachte dann auch so schön Ryan Macbeth, die Arbeitslosigkeit beträgt 50% im Gaza-Streifen und jetzt drückst du dann so einem 18-Jährigen einmal, drückst du halt jetzt eine Waffe in die Hand und gibst ihm eine Uniform und sagst ihm. Hier, du hast jetzt hier was zu melden, du bist jetzt irgendwie hier bei uns und kriegst jetzt auch Geld und wenn du irgendwie für die gute Sache dein Leben lässt, dann versorgen wir deine Verwandten oder wie auch immer weit sie gehen müssen, aber wahrscheinlich müssen sie gar nicht so weit gehen, sondern die dürften jetzt wahrscheinlich kein großes Rekrutierungsproblem dort haben, sondern wahrscheinlich sind eher dann limitiert durch ihre Mittel und ihr Geld und Organisationsstruktur und so. Aber ja, also ich sehe da nicht allzu viel wirklich Selbstbestimmungsmöglichkeiten, sondern da ist halt sehr viel, was von außen kommt. Und was jetzt die Eskalation angeht, da haben die USA ja sehr schnell dann auch klar gemacht, zwei Flugzeugträger geschickt und glaube ich deutlich auch signalisiert, also wenn jetzt irgendjemand vorhat, da irgendwie jetzt noch mit rein zu grätschen, lasst es lieber. Und ich bin mir auch nicht ganz sicher, oder ich habe auch das Gefühl, dass die Hamas ein bisschen zu krass war oder ein bisschen zu erfolgreich war. Und dadurch jetzt auch, und das hat dann Netanjahu gleich auch den Vergleich zu ISIS gezogen, oder zum IS, wie sich dann zum islamischen Staat. Das ist es wert, in dem Kontext auch noch mal ganz kurz beleuchtet zu werden, weil wir haben ja alle irgendwie Krieg gegen Terror und dann war ja dieser komische islamische Staat, der da so im Irak und in Syrien und auf dann mehrere Millionen Kämpfer und viele tausende Quadratkilometer an Land besetzt hat und die eben auch absolut, ja kann man sagen barbarisch unterwegs waren und eben auch alle möglichen Gräueltaten und Enthauptungen und Kinder und Frauen und von den Jesiden hat man vielleicht noch gehört, wo sie ja dann jesidische Frauen verschleppt haben. Jedenfalls war der islamische Staat so schlimm und so krass, dass er es geschafft hat, wirklich praktisch alle Staaten der Welt gegen sich aufzubringen. Also niemand stand auf der Seite der IS. Er hatte dann sowohl Iran als auch Saudi-Arabien gegen sich, Russland, Amerika, den gesamten Welt, also alle. Es war sozusagen IS gegen die Welt. Und wurde dann auch erfolgreich dadurch bekämpft und zurückgedrängt. Und Netanyahu versucht jetzt natürlich Hamas auf eine Stufe mit IS zu stellen und hat da durchaus auch einen Punkt, weil die Gräueltaten, die Hamas begangen hat, tatsächlich so von dem, was der islamische Staat gemacht hat, nicht zu unterscheiden ist. Der Unterschied ist allerdings jetzt, dass. Der islamische Staat über Millionen Menschen verfügte und Ölquellen und Geld und am Expandieren war. Das heißt, tatsächlich auch eine reale militärische Gefahr dargestellt hat, während in dem Sinne jetzt Hamas militärisch gesehen keine Gefahr für die Existenz Israels ist. So das kann man glaube ich auch einfach mal feststellen ja mit seinen 30.000 oder 50.000, Kämpfern und der Ausstattung ist das, was sie geschafft haben, das Maximum dessen oder ja was was vorstellbar ist ja unter optimalsten Überraschungsbedingungen und es war eben also das Maximale zu sie fähig sind ist eben dieser wie so schön heißt rate also im Prinzip eindringen in feindliches Territorium und sich dann wieder zurückziehen. Also sie sind nicht in der Lage jetzt dauerhaft irgendwie Teile von Israel zu besetzen oder oder so. Oder wahrscheinlich werden sie auch noch nicht mal nicht mal zu weiteren Raids jetzt in der Lage. Also militärisch gesehen ist da nicht nicht viel. Aber. Umgekehrt, wenn wir jetzt zu dem Punkt kommen, was ist denn realistisch für Israel jetzt militärisch möglich? Wie kann das denn jetzt laufen? Irgendwann, okay, kann Israel jetzt einfach den Gaza-Streifen durchkämmen und sämtlich Hamas-Mitglieder festnehmen? Ja, das wäre ja so, ich sag mal, die Idealvorstellung. Also quasi so eine Art Polizei- oder Antiterroreinsatz, wo man dann die Terroristen verhaftet und verurteilt und ins Gefängnis steckt und die Zivilisten verschont und die Geiseln befreit. Das wäre das große Wunschdenken, was man gerne erreichen würde. Militärisch gesehen, so die Einschätzung, die ich gehört habe, unter anderem von Ryan Macbeth, ist, wenn Israel dort jetzt hineingeht, ganz praktisch, mit Bodentruppen, werden sie halt mit Panzern und Panzerkampffahrzeugen und Infanterie vorrücken und Häuserblock um Häuserblock sichern, also von, ja, durchsuchenden Leuten entweder festnehmen oder wenn sie Widerstand leisten, töten, Sprengfallen und Sprengsätze und so weiter entfernen und wenn sie dann auf Widerstand stoßen, werden sie dann, ja, was weiß ich, so ein Maschinengewehrnest irgendwo oder so werden sie dann einen Luftangriff anfordern und das ja. Was da sie vor sich sehen und so auf diese Art und Weise schaffen sie in der Größenordnung von 500 Metern am Tag die Frontlinie vorzuschieben und alles zu sichern. Das ist wohl so in etwa womit man rechnen kann.

Tim Pritlove
2:06:08
Pavel Mayer
2:06:14

An einzelnen Stellen, genau. Können sie so ungefähr 500 Meterweit vordringen, vielleicht auf einem halben Kilometer Breite oder so, auch oder einem Kilometer Breite das Ganze sichern und die Flanken dann auch zu sichern und so. Und das Ganze wird auch nicht ohne Verluste abgehen, weil wie du schon richtig sagtest, da sind halt Tunnel und dann vorbereitet Stellen, wo wahrscheinlich sich Sprengsätze sind oder aus denen Scharfschützen verdeckt schießen können und und so weiter und das heißt bei einer Aktion dieser Art rechnet man mit sechs Prozent Verwundeten oder Getöteten pro Tag also sechs Prozent Casualties, Verluste wie es so schön heißt und davon vielleicht so ein zwei Prozent ungefähr tatsächlich getötete. Das heißt, jeder Tag wird auch für Israeler Sisa Formash dann tatsächlich schmerzhaft sein. Und dann ist die Frage, wie gesagt, dann kommen die Bilder und dann ist die Frage, wie lange wird die Welt zuschauen und da zu Schätzungen, naja, so 14 Tage. Wenn dieser Vormarsch läuft, dass dann der öffentliche Druck auf Israel zu stark werden wird, weil die Bilder einfach zu unerträglich werden. Das ist so ein bisschen die Erwartungshaltung von Profis, dass das irgendwie so läuft. Mit anderen Worten, es ist nicht möglich, erstens überhaupt jetzt nur physikalisch den gesamten Gaza-Streifen zu durchkämmen. Und dann ist das andere Problem, aber wenn die jetzt auf irgendjemanden stoßen, der hat ja keinen Hamas-Mitgliedsausweis dabei oder keine Hamas-Uniform unbedingt, sondern du kannst dann auch nicht irgendwie, ja, beliebig Leute verhaften oder selbst wenn du halt hingehst und sagst, okay, wir verhaften erstmal die gesamte männliche wehrfähige Bevölkerung so ungefähr, ja. Also es geht halt nicht. Kannst du nicht machen, ja. So, das heißt, das Endgame für Israel an der Stelle, ja, also...

Tim Pritlove
2:08:55
Pavel Mayer
2:08:58
Tim Pritlove
2:10:29
Pavel Mayer
2:11:35
Tim Pritlove
2:11:46
Pavel Mayer
2:11:47
Tim Pritlove
2:12:01
Pavel Mayer
2:13:22

Also ich sehe derzeit nicht, dass selbst Israel mit seinen 500.000 Soldaten, ich meine die können ja auch nicht alle 500.000, Großteil davon ist Logistik und so weiter und die müssen auch noch den Rest des Landes bewachen. Ich sehe nicht, dass Israel tatsächlich in der Lage ist, militärisch zu kämpfen. Das Ziel zu erreichen. Also was du wahrscheinlich bräuchtest, ist ein kompletter Overkill. Ich sag mal zwei oder drei Millionen UN-Truppen, die du da durchschickst in einer Polizeiaktion. Aber selbst das wahrscheinlich stößt auf Grenzen, weil wie gesagt, du sagst ja, wie gut ist die Die Aufklärung, ich meine Hamas ist eine Terrororganisation mit einer entsprechenden Zellenstruktur, wo man natürlich allein schon aus Sicherheitsgründen, die ist halt auch ein ganzes Stück weit Mossad gehärtet, auch wenn ich sicherlich, ja gebe ich dir recht, ich gehe auch davon aus, dass die Israelis eine Menge wissen, aber eben auch eine Menge nicht wissen. Ich sehe es praktisch nicht, wie sie das Ziel, die vollständige Entfernung von Hamas aus dem Gaza-Streifen militärisch hinkriegen, außer, ja gut, was sie aber auch nicht können, die können jetzt nicht zwei Millionen Leute umbringen im Gaza-Streifen. Sie können auch keine 200.000 Leute umbringen. Das wird so auch nicht passieren. Und ich habe mir auch genau die internationalen Reaktionen angeschaut, wie, was sagt denn jetzt die offizielle Politik, was sagen Regierungschefs dazu oder in dem Fall der amerikanische Verteidigungsminister. Und blinken oder generell die Art, damit umzugehen, So ist natürlich erst mal Israel die, ja nicht uneingeschränkt, aber die volle Solidarität zu versprechen und Unterstützung und Hilfe. Und Deutschland schickt ja jetzt sogar zwei Heron-Drohnen, ich weiß nicht, ob du das mitgekriegt hast, die für die Ausbildung bei der Bundeswehr eingesetzt werden. Ich glaube, die kommen aus Israel, die Drohnen.

Tim Pritlove
2:16:12
Pavel Mayer
2:16:16

Ja. Und die Bundeswehr hat aber nur zwei, sodass jetzt gerade keine Bundeswehrsoldaten mehr an Herondrohnen ausgebildet werden können wahrscheinlich. Also ich weiß auch nicht, was das jetzt wieder ist. Aber egal. Also sagen sowohl die ganzen europäischen Länder, Aber auch die USA sagen irgendwie, ihr habt unsere volle Unterstützung und wir helfen euch und wir stehen auf eurer Seite und Hamas geht gar nicht. Aber gleichzeitig dann mit einem wirklich sehr, sehr vorsichtigen Unterton, um auch Israel darauf aufmerksam zu machen. Dass sie sich schon an das Völkerrecht zu halten haben, im Großen und Ganzen. Das kam dann sowohl bei Blinken in seiner Rede zum Ausdruck, ganz subtil, und jetzt auch unsere Außenministerin Baerbock in ihrem Tweet schrieb dann so, Das sinngemäß, dass die Israelis natürlich berechtigt sind, im Rahmen des Völkerrechts alles zu tun gegen Hamas. Das heißt, es ist jetzt schon klar, ja, Solidarität absolut mit Israel, aber es ist kein Freibrief jetzt dort im großen Umfang Kriegsverbrechen zu begehen, weil da das, oder da ist dann wiederum die Befürchtung auch der USA oder von Europa, dass wenn die Bilder, die von da kommen, zu krass werden, dass das zu Unruhen in anderen arabischen Ländern führt und dass das dann quasi erst zu dem Flächenbrand führt, den man eigentlich verhindern möchte. Das heißt, ja, Ja, wir hauen da jetzt mal so richtig voll drauf, ohne Rücksicht auf Verluste, ist keine realistische Option, einfach keine, die von den USA toleriert werden würde und auch aus guten Gründen. Oder wie siehst du das?

Tim Pritlove
2:18:42

Also dass Israel in einem Dilemma steckt ist vollkommen klar, aber ich glaube, dass das für sie keine neue Situation ist. Also da werden sie halt ihre Abwägungen treffen und ich denke es hängt primär auch erstmal von der Reaktion der israelischen Bevölkerung ab und die dürfte relativ klar sein, dass jetzt hier viel Härte gezeigt werden muss. Der Benchmark ist für, wir haben unsere Ziele erreicht. Das wird glaube ich nicht nur auf Regierungsseite entschieden, sondern das wird eben auch in der Bevölkerung sozusagen freigeschaltet werden. Und dann erst kommt die internationale Gemeinschaft, die natürlich eine Rolle spielt, aber die jetzt auch auf Israel nicht beliebig viel Druck ausüben kann. Das kommt ja auch noch mit dazu. Von daher, keine Ahnung, muss man schauen, das wird jetzt auch noch von der Reaktion anderer Player abhängen. Also was ist mit Hezbollah, was ist mit dem Iran, wie verhalten die sich, wie sehr wird auch die Diskussion nachhaltig dazu führen, dass diese politischen Prozesse, die man jetzt angestrebt hat, wie zum Beispiel das Abkommen mit Saudi-Arabien, wie sehr das wirklich in die Bredouille kommt. Weil auch davon hängt natürlich die Sicherheit Israels ab. Also ich habe jetzt gerade Meldungen gelesen, dass Saudi-Arabien sich erstmal zurücknimmt, aber das muss glaube ich erstmal gar nichts heißen. Das heißt einfach nur, wir ducken uns jetzt hier erstmal weg, solange wir ja noch alle am Protestieren sind und wenn ihr da fertig seid, dann können wir ja nochmal drüber reden und so. Ich glaube nicht, dass es jetzt vom Tisch ist, aber das ist natürlich schon politisches Porzellan, was dort zerschlagen werden kann. Und worüber wir vorhin auch noch nicht so richtig gesprochen haben, was ja hier auch noch mit reinspielt, ist die Schwäche der israelischen Regierung an sich. Wir haben ja, da muss man vielleicht mal kurz noch mal aufdröseln. Peter Jaho, der jetzt schon seit zwölf Jahren an der Regierung ist, nicht durchgehend, aber halt immer wieder, der ja eigentlich gerade dabei war, einen Krieg gegen seine eigene Bevölkerung zu führen. Nicht literally als Kriegshandlung, sondern eben der bedroht durch zahlreiche Korruptionsprozesse sich auf eine extrem rechte, schwer zu kontrollierende Regierungskoalition eingelassen hat. Und dafür die ein oder andere Kröte hat schlucken müssen, weil er letzten Endes gerne ein Gesetz durchfechten möchte, was kurz gesagt der Politik ermöglicht, Gerichtsentscheidungen aufzuheben. Das wird gemeinhin von der israelischen Bevölkerung als Ende der Demokratie angesehen, nicht ganz zu Unrecht. Und seit Monaten gibt es Proteste dagegen in Israel. Und das war sicherlich auch ein Grund, warum die Hamas jeden Eindruck haben konnte, dass Israel gerade stark geschwächt ist und seine Konzentration auf den Gaza-Streifen verloren hat. Und das war ja dann offensichtlich auch so. Es ging ja soweit, dass Reservisten und vor allem auch Reservistenpiloten, ganz wichtige Gruppe für die Armee, dort quasi in den Reservistenstreik getreten sind. Also die haben dann sozusagen ihre regelmäßigen, ich weiß nicht genau, die müssen dann regelmäßig ja immer wieder Dienst leisten für eine bestimmte Zeit, keine Ahnung wie das jetzt konkret geregelt ist. Das haben sie halt nicht gemacht und das hat natürlich den Konflikt weiter befördert. Aber jedem ist jetzt auch irgendwie klar, dass die Regierung halt auch ihre Mitschuld hat. Weil einfach dadurch, dass man den Siedlern in Westjordanland, die dort halt weitere Landnahme betreiben wollen und teilweise auch selber palästinensische Dörfer angegriffen haben und sowas, dass denen nicht Einhalt geboten wurde, sondern teilweise auch noch gedeckt wurde. Dass aber trotzdem die Armee sich dann sozusagen auf die daraus resultierenden Konflikte sich hat konzentrieren müssen und damit die Aufmerksamkeit von Gaza weggenommen hat, das werden die auf jeden Fall noch ausbaden müssen. Und auch das wird natürlich eine Rolle spielen. Immerhin konnten sie sich jetzt nicht einfach so weiter durchwurschteln, sondern es ist jetzt eine Notstandsregierung gebildet worden unter Beteiligung von Oppositionsparteien. Ich habe mir das jetzt leider im Detail nicht genau angeschaut. Das Parteienumfeld von Israel ist auch sehr kompliziert. Aber das ist sozusagen auch ein vorübergehender Zustand, der den breiten Konsens der Bevölkerung auch benötigt, um hier weiter voranschreiten zu können. Also ich habe da keine wirkliche Antwort drauf, was da jetzt passiert. Ich wollte nur nochmal klar machen, was die Gemengelage ist.

Pavel Mayer
2:23:31
Tim Pritlove
2:24:00

Ja.

Pavel Mayer
2:24:03

Und generell dann auch das Ganze mit einer deutlich aggressiveren Politik gegen die Araber einhergingen. Auch eben in der Westbank. Man hat mit anderen Worten an vielen Stellen so die Temperatur hochgedreht für die Palästinenser. Und ja, wie wir vorhin schon gesagt hatten, Gaza war eigentlich jetzt eingezäunt und dann hatte man eben auch den Siedlungsbau auch weiter großzügig vergrößert und umgekehrt viele Kontrollpunkte, Schikanen und so für die Palästinenser, also man hat jetzt, das war jetzt, von dieser rechtsextremen Regierung kam jetzt nicht gerade eine Freundschaftsoffensive. Die Arabischen Palästinenser. Insofern könnte man jetzt auch argumentieren, dass, okay, wenn man irgendwie die Temperatur hochdreht und einen Deckel oben auf den Kessel packt, kann es halt tatsächlich auch irgendwann zu einer Explosion kommen. Das wäre auch durchaus eine Mechanik, mit der sich das ein Stück weit erklären ließe. Zumindest aber hat diese Art der Politik sicherlich Hamas durchaus ermöglicht und auch anderen Gruppen einfacher zu rekrutieren. Also zumindest dieser Einfluss, glaube ich, war auf jeden Fall faktisch da, wenn man jetzt irgendwie auf die reine Mechanik guckt, wie es dazu gekommen ist. Und was jetzt noch zukommt, also im Sicherheitsapparat, so der Minister für Nationale Sicherheit Israels, dem auch die Polizei untersteht, ist seit Dezember 2022 Itamar Ben-Gvir. Also das ist ein rechtsextremer Politiker, wie er im Buche steht. Und den haben sie zum Chef der Sicherheitsbehörden gemacht und der trägt sicher keine Ahnung wie viel Verantwortung er jetzt auch dafür trägt. Der Stelle, aber zumindest ja, verdient seine Rolle auch einfach einen kritischen Blick, denke ich mal. Als Minister für nationale Sicherheit Israels, ja, trägt man eigentlich eine gewisse Verantwortung für die nationale Sicherheit, würde ich jetzt mal so annehmen und da ist jetzt einiges echt schief gegangen. Aber ja, ich meine, die andere Seite titelt Das sprießt natürlich auch die Verschwörungstheorien und Onion brachte einen schönen Artikel, angeblich ein Zitat von Netanyahu. I don't know about you, but the timing of this tragic attack on the Israelis could not have come at a better time for me. Also, ich kann tatsächlich konstatieren, dass für Netanyahu politisch gesehen das Ganze erst mal den Tag gerettet hat. Aber ich glaube trotzdem nicht, ich glaube der Schaden, der Reputationsschaden und das, was hinterherkommt, ist einfach zu gewaltig. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendjemand, auch Netanjahu oder irgendwelche Rechtsextremisten wissentlich in Kauf genommen hätten.

Tim Pritlove
2:27:55
Pavel Mayer
2:28:15
Tim Pritlove
2:30:11

Naja gut, also das ist auf jeden Fall die Situation. Es wird jetzt für Israel nicht einfach, aber wir werden auf jeden Fall eine Bodenoffensive sehen. Während wir hier die Sendung aufnehmen, gibt es auch ein Statement von der israelischen Armee, dass sie das jetzt sozusagen auch vorhaben. Also dass sie jetzt sozusagen einen koordinierten Angriff aus der Luft zu Wasser und zu Lande führen werden, ohne natürlich jetzt hier Details abzugeben, aber das wird definitiv bald passieren. Und dann werden wir ja schauen, wie sich die Situation dann darstellt. So, ja, jetzt steht also dieser Kampf bevor. Sicherlich, abgesehen davon, wie man das jetzt bewertet, wer woran einen Sieg oder eine Niederlage festmachen kann, ist klar, dass es hier einen Player gibt. Beiden Seiten, der jetzt schon verloren hat. Und das ist halt einfach die Bevölkerung. Das betrifft natürlich die israelische Bevölkerung durch die Terroranschläge. Das ist natürlich alles nachhaltig. Wird das die Gesellschaft verstören? Hat sie ja auch schon verstört. Und viele sind halt ums Leben gekommen. Aber dasselbe findet ja jetzt auch in Gaza statt. Man hat ja im Prinzip einen Kampf gegen die Hamas, das sind halt 30.000, 50.000 super Radikale, die aber eigentlich die zwei Millionen, die dort leben, weitgehend als Geiseln halten, kann man fast sagen. Und die natürlich jetzt einen Großteil des aufkommenden Krieges dann auch ausbaden muss durch Todszerstörung der Lebensgrundlage, Verletzungen und was den Krieg halt alles noch nach sich zieht. Israel hat jetzt eine totale Blockade beschlossen und auch bereits durchgesetzt. Das heißt kein Gas, kein Strom, kein Wasser, was nach Gaza geliefert wird und damit ist natürlich die Lebensgrundlage allein schon zerstört, ganz unabhängig vom ganzen Krieg. Das heißt, wir werden es jetzt hier auch so oder so mit einer Flüchtlingsbewegung zu tun haben. Also wer auch immer aus Gaza noch rauskommt, sozusagen. Und je nachdem, ob Ägypten da die Grenzen auch noch öffnet für einen humanitären Korridor. Aber viele werden es einfach nicht schaffen. Und das wird natürlich dann auch entsprechende Auswirkungen haben.

Pavel Mayer
2:32:49
Tim Pritlove
2:33:20
Pavel Mayer
2:33:33
Tim Pritlove
2:35:17
Pavel Mayer
2:35:51
Tim Pritlove
2:36:05
Pavel Mayer
2:36:33