Tim Pritlove 0:02:22
Nein, nein, ganz so ist es nun wirklich nicht. Ja, fangen wir an,wie immer, mit dem Überblick über die militärische Aktivität.Das wird in gewisser Hinsicht auch den Schwerpunkt dieser Sendung, glaube ich, ausmachen.Nochmal so zur Erinnerung, wir haben es also mit einem Frontverlauf zu tun,der sich eben vom Nordosten der Ukraine nach Süden runter erstreckt,bis ungefähr 100 Kilometer vor dem Asowschen Meer,dort in Donbass macht die Front einen Knick und zieht nach Westen rüber Undgeht dann halt da an dem Sinnipro Staubecken,wo jetzt kein, wo der Staudamm ja leider weg ist,sozusagen die großen Wassermassen weg sind, der Fluss nur noch wie ein Rinnsal fließt,was dort halt große Landbereiche freigesetzt hat, aber die sind eben alle nochnicht nutzbar, weil das einfach matschiges, morastiges Gebiet ist.Und natürlich geht der Frontverlauf noch weiter, dann eben am Fluss bis zurMündung des Schwarzen Meers.Und ja, der ganze Bereich südlich davon ist halt nach wie vor russisch besetzt,einschließlich der Krim.Lass uns jetzt mal so zum allgemeinen Frontverlauf.Und es gibt an diesem Frontverlauf halt Schwerpunkte der Aktivität.Und im Wesentlichen ist es auch schon so, wie ich es in der letzten Sendung berichtet habe.Das heißt es gibt in diesem Nordosten gibt es Bereiche,wo die Russen Vorstöße wagen oder zumindest versuchen,das kann man im Wesentlichen unter Ablenkungsmanöver abbuchen,weil diese Bereiche sind nicht wirklich militärisch besonders stark ausgerüstet.Hier geht es einfach nur darum, um die Ukraine auch möglichst an vielen Stellenbeschäftigt zu halten, weil natürlich, klar, selbst wenn man irgendwo um eineOffensive bemüht ist, will man natürlich nicht an einer anderen Stelle gleich wieder Land verlieren.Das ist halt so dieser Bereich in der Region Kharkiv oder Luhansk, also an der Grenze.Und es gibt halt verschiedene Vorstöße auf die einst in dieser großen Rakiv-Offensivegenommene Stadt Kupyansk, also nicht direkt auf die Stadt, sondern halt im Vorfeld,aber da passiert nicht sehr viel.In den letzten fünf Wochen ist es glaube ich den Russen nur gelungen ein einziges Dorf einzunehmen,wobei man, wenn man von diesen Dörfern an der Frontlinie von Dorf redet,dann ist es halt eher so eine benannte Stelle auf der Karte,wo mal ein Dorf war, weil das ist halt mittlerweile alles natürlich kurz undklein gebombt, von daher ist da auch nicht viel zu holen und das sind halt einfachnur so hin und her Manöver.Auch da, wo die Rakiv-Offensive zuletzt geendet ist, um Kriminal herum gibtes immer mal noch wieder so Aktivitäten.Aber das sind alles so Gebiete, die sind einfach nicht besonders gut ausgestattet.Durch geografische Bedingungen und weil sich die Russen dort eben jetzt übereine längere Zeit haben eingraben können, geht es da an der Front nicht wirklich weiter.Auch nicht für die Ukraine, weil auch die Ukraine das nicht so priorisiert.Also der ganze Vorstoß nach Osten, auch wenn sie natürlich immer klar sagen,dass es ihr Ziel ist, alle Gebiete zu befreien, aber zu diesem Zeitpunkt istes eben sehr viel wichtiger, Vorstöße im Süden zu machen und deswegen ist halthier an der Nordostfront relativ wenig los.Das ändert sich dann ein bisschen, wenn man noch etwas weiter südlich dann aufdieser Frontlinie herunterrutscht um Bachmut.Das ist ja die Stadt, die von den Russen mit einem unfassbaren Verlustaufwandeingenommen wurde im letzten Jahr und wo es dann aber auch für die Russen dann nicht weiter ging.Seitdem drückt die Ukraine nördlich und vor allem südlich dieser Stadt wiederdie Russen zurück und beschäftigt die Russen dort.Es ist ein bisschen unklar, warum die Ukraine dort so viel Wert drauf legt,aber es ist halt, glaube ich, auch in diesem Kontext zu sehen,Die Ukraine versucht die Russen da zu beschäftigen.Wo es ihnen opportun erscheint und führt ja auch generell so einen Abnutzungskrieg,dazu werden wir auch nochmal viel sagen.Und der Aufwand, den die Russen aufwenden müssen, um dann diese Stellung zuhalten, ist halt sehr groß.Und das sieht man gerade an dieser südlichen Bachmuth-Front.Klitschivka ist so ein bisschen so ein Schlüsselort, um den es sich seit Wochenlang dreht, beziehungsweise eine jetzt leicht nach Osten gedrückte Frontliniedort entlang einer Eisenbahnlinie, wo sich die Russen sehr stark eingegraben hatten.Da feiern die Ukrainer schon Erfolge insofern, als dass sie dort vorankommen,aber wir reden hier wirklich um hunderte von Metern pro Woche und wenige Kilometer,die halt hier vorangeschritten wurde innerhalb dieser letzten Wochen.Und man kann sich natürlich fragen, okay, was soll das jetzt alles?Aber das ist halt einfach ein Teil dieser Abnutzungsstrategie und den Russenist es halt sehr wichtig, diese Stellung dort zu halten.Nicht, weil sie militärisch eine besondere Bedeutung hätten,sondern vor allem, weil es hier um Bachmut geht.Weil das ist sozusagen ihr Propagandaerfolg gewesen, also ihr scheinbarer Propagandaerfolg,diese Stadt genommen und dabeihalt auch komplett zerstört zu haben und diesen Standort zu verlieren,das ist halt sozusagen für die Russen überhaupt nicht denkbar und von daher weiß,dass die Ukraine, dass das für die Russen so ein Schmerzpunkt wäre und deswegenfällt es ihnen relativ leicht, hier Druck auszuüben und eben auch die Truppenzu fixieren, damit sie eben nicht woanders kämpfen können.Wie zum Beispiel eben im Süden. Kommen wir dann auf diese Südlinie,also das was dann wirklich von Ost nach West verläuft bis zum Libro.Hier gibt es dann eben den einen Schwerpunkt um Willika Nowosilka,wo es am Anfang, sozusagen als die Offensive nach Süden losging,so einer der Schwerpunkte war.Da ist jetzt nicht mehr so richtig viel passiert, nur auch hier kontinuierlichesStellungsgekämpfe, um irgendwie in irgendeiner Form zu schauen,wo kann man hier vorstoßen, wo ergeben sich unter Umständen Schwachpunkte.Das kann ja immer sein, wenn die Aufmerksamkeit woanders ist,dass dann eben nicht aufgepasst wird und dass man irgendwo Stellungen nichtausreichend besetzt hat, wo sich dann unter Umständen so eine Vorstoßmöglichkeit bietet.Ich denke das ist so ein typischer Ort hier. Aber die Hauptaktivität,die ist definitiv da in dem Bereich Orichiv, Robotine.Das ist also ungefähr so 50 Kilometer vom Dnieprobecken westlich und dort istes eben der Vorstoß auf die Stadt Tokmak, der den Russen am meisten Sorgen bereitet.Deswegen gehen alle Verstärkungen oder sehr viele Verstärkungen in diesem Bereich.Das heißt die Russen werfen alles dagegen, um hier den Vorstoß der Ukraine inirgendeiner Form in den Griff zu bekommen.Das gelingt ihnen so halbwegs dahingehend, als dass die Fortschritte langsamsind der Ukraine, aber sie sind kontinuierlich.Und auch in den letzten vier, fünf Wochen sind dort verschiedene Vorstöße erreicht worden.Ich glaube, als wir das letzte Mal darüber gesprochen haben,gesagt, dass sie quasi hier sich langsam an dieser Suruvikin-Linie breit machen,das ist diese Absperrgrenze, die die Russen aufgebaut haben,die aus diesen Betonpyramiden besteht und diesen Panzergräben etc.Das ist jetzt mittlerweile klar und offiziell, dass die überschritten wurde,zumindest über eine bestimmte Fläche.Und in den letzten Wochen ging es eben vor allem darum, in diesem Bereich weitereGeländemannnahmen vorzunehmen und die Ukraine ist jetzt so drauf und dran,alle Höhenpositionen eingenommen zu haben.Also ich hab so den Eindruck, die Russen müssten hier schon wirklich sehr vieldagegen schmeißen, was sie auch tun, um die Stellung noch lange halten zu können,aber das sieht halt nicht so gut aus. Und warum ist das so wichtig?Wichtig ist es, weil einfach Tokmak ist so das Ziel.Nicht unbedingt die Stadt selber, sondern wenn es gelingt die Straßen nach Tokmakabzuschneiden, das würde die Russen in diesem gesamten Bereich doch extrem schwächen.Und ja, der Kampf findet hier eben weiterhin auf vielen Ebenen statt.Es gibt halt unmittelbar an der Front, gibt es halt vor allem infanteriegetriebene Kämpfe,wir erinnern uns, da sind Minenfelder, da sind Gräben, Schützengräben ohne Ende,ja komplexe Tunnelsysteme, die dort auch ausgehoben wurden, auch in den Wäldernoder in diesen Waldstreifen zwischen den großen Agrarfeldern, die es dort gibt.Und das ist halt einfach ein schmerzhafter,langsamer Waldlauf um hier in irgendeiner Form Fortschritte zu erzielen,aber parallel dazu ändert sich so ein bisschen das Kräfteverhältnis zwischender Ukraine und Russland im Bereich der Artillerie.Und das hat damit zu tun, dass die Russen einfach ein zunehmendem Maß an Problemenhaben Artillerie heranzuschaffen, also Munition.Also da sieht es zunehmend schlecht aus für die Russen, die also wirklich Problemehaben Nachschub zu bekommen.Und man kann das sagen, weil natürlich die Gesamtbeobachtung der Frontlinieauch solche Statistiken erhebt mit, okay wie viele Explosionen werden jetztpro Tag wo gemessen, wie viele Brände gibt es etc.Und so die Schätzungen, die ich gesehen habe, liegen so bei,dass die Russen nur noch 20 Prozent von dem täglich verfeuern,was sie so im letzten Jahr verfeuert haben.Und da die ganze russische Kraft im Wesentlichen auf Artillerie aufgebaut ist,ist das schon ein relativ deutliches Zeichen.Sprich, Ukraine ist mittlerweile fast schon stärker in dem Bereich der Artillerieund wo sie auf jeden Fall einen Vorteil haben ist, dass sie genauer schießen können.Dass sie die besseren Artilleriesysteme haben, Cäsar, Panzerhaubit 2000,weitere amerikanische Modelle, diese 777 und zwar, das hatten wir auch allesin den letzten Monaten immer mal wieder erwähnt.Also sie haben einfach gute und im Idealfall auch besser gewartete Systeme, dazu bessere Munition.Die Ukraine ist ja im Prinzip die ganze Zeit schon im Prozess zunehmend aufNATO-Technik umzusteigen, von der alten russischen Technik.Und das zeigt sich jetzt gepaart mit einer immer besseren Reconnaissance durch ihre Drohnenarmee,dass sie einfach die Stellungen besser finden und in der Lage sind,relativ zielgerichtete Artillerie gegen Panzer, gegen Flugabwehrstellungen undvor allem gegen Artilleriegeschütze vorzunehmen.Und das zerbröselt einfach diese Widerstandslinie der Russen langsam,aber wie ich finde, auf eine sichtbare Art und Weise.
Zur Lage an der Front: Es ist sehr auffällig, dass seit einem Jahr der medial verkündete Fortschritt an der Front, aus Sicht der Ukraine, am selbem Ort stattfindet.
Welchen Ort meinst Du? Robotyne?
Hi, irgendwie ist die Folge down, oder ist das nur für mich so Danke für die vielen Podcasts übrigens, die bereichern mein Leben seit längerem. Ich denke intensiv nach, in welcher Form ich mich erkenntlich zeigen soll.
Du denkst zuviel.
https://piped.video/watch?v=iwYdYcdIITw
Das hier kennt Ihr hoffentlich. Besonders die Lageanalyse in der 2.Hälfte. Sagt doch mal in der nächsten Sendung Eure Meinung dazu :
https://youtu.be/Z1bKrwqzJzQ?feature=shared
Schade, dass die Wortwahl der Qualität des Berichteten immer mal wieder nicht gerecht wird. Z. B. „Hopps genommen“ und „noch lustiger ist ja“ empfinde ich als unangebrachte Formulierungen im Rahmen der wahrscheinlich gelungenen Angriffe auf die Kommandozentralen der Schwarzmeerflotte. Das habt ihr nicht nötig, dafür sind eure Informationen zu gut aufbereitet.
Nichtsdestotrotz: Danke für die regelmäßigen Updates und Einschätzungen der Lage!
Danke für den aufschlussreichen Überblick! Schade das es keine wirklichen Nachfolger für Twitter an der Stelle gibt. Ist BlueSky da eine bessere Alternative zu Mastodon? Kurznachrichten konnte man immer in kleinen Dosen zwischendurch konsumieren um den Überblick zu behalten. Längere Youtube Videos sind mir da einfach zu linear und lang.
Ist eine UKW-Sendung zur aktuellen Entwicklung im Nahen Osten geplant?
Ansonsten weiter so! Sobald eine neue Folge draußen ist wird die immer an die Pole-Position in der Podcast-Queue geschoben.
Ich will doomaday-Pavel zurück.
Diesmal recht positiv drauf, zack gibts einen Tag später nen Megakrieg.
(Danke, gute Zusammenfassung)
Wenn ihr noch eine weitere deutsche Informationsquelle sucht und euch nicht von einem uralten Forum abschrecken lasst schaut euch mal das WHQ-Forum an, also speziell den Thread http://www.whq-forum.de/invisionboard/index.php?showtopic=31046&st=9060&start=9060
Für mich sehr wertvoll seit Beginn des Krieges ist Michael Kofman (@KofmanMichael), im Moment für mich am Besten zu konsumieren im Podcast War on the Rocks: https://warontherocks.com/category/podcasts/war-on-the-rocks/
Was ich am meisten an ihm schätze ist die oft deutlich zurückhaltendere Perspektive die oft im Nachhinein näher an der Wahrheit lag. Guter Kontrast zur oft aufgeregten deutschen Presse oder sehr optimistischen ukrainischen Quellen.